Es regnet Bindfäden und der durchnässte Schutt, der hie und da noch seiner Räumung harrt, trachtet nach Deinen neuen Lederschuhen, die Dir Dein Freund, der Schumacher aus einem mitgebrachten Leder für dieses Rendez-vous genäht hat. Den allerbesten Eindruck willst Du machen, obwohl damals nicht mehr als ein paar Abende voller Herzklopfen und eine scheuer Kuss vorgefallen sind. Gott, wie lange hast Du sie nicht mehr gesehen? 8 Jahre? Oder 9? Sie war wunderschön, mit ihren Anfang 20, und es schien, als ob sie die Inkarnation des Versprechens nach dem Bestand der Ästhetik in dunkelsten Zeiten sei.

Du beschleunigst Deinen Schritt, der Takt der Laternenkegel zieht mit, die Regentropfen peitschen gegen Hut und Trenchcoat-Kragen und Dein ganzer Körper ist ein einziges, pochendes Herz. Endlich biegst Du in die Gasse ein – und siehst schon von Weitem im fahlen Licht des Hauseingangs die Silhoutte, die das Versprechen von weiland einlösen wird. Wird sie Dich wiedererkennen? Wird diese magische Vertrautheit zur Stelle sein, wenn Du im Stottern zu ertrinken drohst? Du verlangsamst den Gang, in Dir toben Freude und Angst und lähmen Dich fast, doch dann stehst Du direkt vor ihr.

Ihre warme Umarmung öffnet Dir das Tor zum Himmel und während Du, schon eingenommen vom alten Vertrauen, die schwere Haustüre aufschliesst, bleibt ein Berg Sorgen, Ängste und  Zweifel herrenlos im Hauseingang zurück.

Ihr Gang die Treppe hoch raubt Dir die Sinne, die Naht ihrer Nylons, die High-Heels oder der Stiftrock, es sind nur Details, SIE raubt Dir die Sinne. Im Appartement angekommen bist Du ganz Gentleman, hilfst ihr aus dem Regencape, legst dann Hut und Trenchcoat ab und kochst einen Kornkaffee auf, während sie sich lasziv auf dem würdig gealterten Sofa aus schwerem, gestepptem Leder niederlässt. Das beruhigende Geräusch des Tauchsieders begleitet Dich beim Entkorken des Cognacs, den Du gestern unter Einsatz Deiner letzten finanziellen Reserven auf dem Schwarzmarkt ergattert hast und als Du mit Kaffee und Cognac das Zimmer betrittst, weisst Du, sie wird bleiben…

Du legst die damals brandneue Platte von Artie Shaw auf, Ihr zündet Euch eine Zigarette an, nippt am Cognac und erfreut Euch des braunen Heisswassers, das Gespräch ist angeregt und wird schnell zum anspruchsvollen Katz-Maus-Spiel. Ihre periodisch den Zigarettenfilter umschmeichelnden roten Lippen konkurrieren mit ihren grazilen Fingern, die das Cognacglas elegant umspielen, während Du vor Lässigkeit strotzt und doch im Himmel bist, ihre Ausstrahlung geniesst und endlich weisst, dass wahre Schönheit unvergänglich ist.

Begleitet von Artie Shaw und dem beruhigenden Prasseln der Regentropfen, getaucht in das versöhnliche Licht der unerschütterlichen Strassenlaterne und durch den leichten Nebel da draussen weit weg von allen Sorgen beginnt eine Zukunft voller schöner Momente…

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